Nichts belastet deutsche Spediteure so sehr wie Personalkosten. Diese sind laut DSLV Bundesverband Spedition und Logistik im Jahr 2018 erneut gestiegen und machen nun 53,1 % der gesamten Abwicklungskosten aus. Schon aus diesem Grund dürfte das Interesse der Branche an der Entwicklung selbstfahrender Nutzfahrzeuge groß sein. Die Nachfrage nach unterstützenden Technologien ist aber auch von Sicherheits- und Convenience-Aspekten getrieben. Übermüdung der Fahrer ist nach wie vor eine der Hauptursachen für schwere Verkehrsunfälle in Deutschland. Funktionierende Assistenzsysteme machen den Arbeitsalltag der Fahrer nicht nur einfacher. Sie fallen auch niemals in Sekundenschlaf – stattdessen reagieren sie in Bruchteilen einer Sekunde. In diesem zweiten Teil unserer Serie zum LKW der Zukunft berichten wir über den Entwicklungsstand automatisiert fahrender Lkw.

 

Die fünf Stufen der Automatisierung.

 

Automatisiertes Fahren wird allgemein in fünf Stufen unterteilt und beginnt mit „assistiertem Fahren“ (Stufe 1). Hier obliegt die volle Verantwortung noch dem Fahrer, der durch einfache Assistenzsysteme unterstützt wird. Stufe 2 wird bereits als „teilautomatisiertes Fahren“ bezeichnet und bedeutet, dass das Fahrzeug unter definierten Bedingungen die Spur hält, bremst oder beschleunigt. Beim „hochautomatisierten Fahren“ (Stufe 3) kann sich der Fahrer erstmals vorübergehend vom Fahrgeschehen abwenden, muss aber jederzeit bereit sein, das Steuer zu übernehmen. Auf Stufe 4 bewältigt die Technik im Fahrzeug bestimmte Strecken (z. B. Autobahnen) bereits vollständig allein, Passagiere können sich anderen Beschäftigungen zuwenden („vollautomatisiertes Fahren“). Die letzte Stufe (5) ist das autonome Fahren. Hier wird kein Fahrer mehr benötigt, das Fahrzeug ist vollvernetzt, mit umfassender Sensorik sowie hoher CPU-Leistung ausgestattet und wird dadurch „intelligent“. Es kann den gesamten Fahrprozess selbsttätig durchführen und selbst auf Unvorhersehbares autark reagieren. Der ADAC schlägt indes vor, die 5 Stufen durch drei Betriebsmodi („unterstütztes“, „automatisiertes“ und „autonomes“ Fahren) zu ersetzen. Ein Vorschlag, der auf die Tatsache zurückgeht, dass sich die Grenze zwischen assistiertem und teilautomatisiertem Fahren vor dem Hintergrund des technologischen Status quo kaum noch sinnvoll ziehen lässt.

 

Pilotprojekte in den USA.

 

Da es auf den öffentlichen Straßen Deutschlands und in Teilen Europas noch strenge Regularien in Bezug auf das automatisierte Fahren gibt, lohnt sich ein Blick auf die USA - die dortigen Highways bieten ideale Testbedingungen. Längst sind hier erste selbstfahrende Trucks für ausgewählte Strecken zugelassen worden.

 

Den Startpunkt markierte Daimler bereits im Jahr 2014, als das Unternehmen mit dem „Mercedes-Benz Future Truck 2025“ den weltweit ersten (teilweise) autonomen Lkw präsentierte. Ein Jahr später erhielt das Unternehmen für den „Freightliner Inspiration Truck“ in Nevada eine Straßenzulassung. Die erste für einen Lkw mit autonomen Fahrfunktionen überhaupt. Dank „Highway-Pilot“, einem radar- und kamerabasierten System, kann sich der Fahrer auf den schier endlosen und gerade verlaufende US-amerikanischen Fernstraßen vom Fahrgeschehen abwenden. Möglich machen das Funktionen wie Spurhalte-, Abstands-, Seitenwind- oder Notbremsassistenten. Überholmanöver, Spurwechsel und das Verlassen des Highways muss der Fahrer allerdings nach wie vor selbst vornehmen.

 

Ein erstes kommerziell angelegtes Pilotprojekt für den komplett fahrerlosen Transport steht ebenfalls bereits in den Startlöchern. Für die United States Postal Service verkehren voll automatisierte Lkw des chinesischen Startups TuSimple aktuell zwischen Phoenix und Dallas (ca. 1600 km) – zunächst allerdings noch unter Aufsicht von Fahrern und Sicherheitsingenieuren. Ein ausgefeiltes Kamera- und Sichtsystem, das mit Radar- sowie Lidarsystemen gekoppelt ist, bietet eine 360°-Sensorik bei einer Sichtweite von 1000 Metern. Dank seiner hervorragenden Nachtsicht kann der Truck rund um die Uhr fahren.

 

Auch in Europa tut sich was.

 

Wer nun jedoch glaubt, die Amerikaner würden den Europäern autonom davonfahren, täuscht sich – auch auf unserem Kontinent wird mit Hochdruck an selbstfahrenden Konzepten gearbeitet.

 

Allen voran sind die Schweden: Hier schlägt DB Schenker zusammen mit dem Transportunternehmen Einride einen konsequent fahrerlosen Weg ein. Der sogenannte „t-pod“ hat als weltweit erster autonom fahrender, vollelektrischer Lkw ohne Fahrerkabine die Zulassung für eine öffentliche Straße erhalten. Er transportiert in kommerziellem Betrieb Waren zwischen einem Lager und einem Terminal von DB Schenker im Pendelverkehr aktuell über eine Strecke von 300 bis 400 Metern. Ebenfalls mit Software von Nvidia ausgerüstet verarbeiten die CPU Radar-Informationen zu Position und Geschwindigkeit mit einer Genauigkeit von 20 Millimetern, Lidardaten zur Objekterkennung sowie Kameradaten zur Erkennung von Farben, Kontrasten, Fahrbahnmarkierungen und Verkehrszeichen. Beladen wird der „t-pod“ mit bis zu 15 Europaletten, vollbeladen liegt sein Gesamtgewicht bei 26 Tonnen. Im Moment ist der t-pod allerdings nur für eine Geschwindigkeit von 5 km/h zugelassen und das auch nur unter der Bedingung, dass das Steuer jederzeit per Fernsteuerung übernommen werden kann. Aber ein erster und gleichwohl großer Schritt in Richtung autonomes Fahren der Stufe 5 wurde mit dem t-pod vollzogen. Ab 2020 soll mit seinem Zwillingsbruder „t-log“ eine Offroad-Variante für Holztransporte an den Markt kommen.

 

Selbes Land, gleicher Anspruch – anderer Hersteller: Die von Volvo entwickelte unbemannte Sattelzugmaschine „Vera“ beliefert seit Kurzem den Hafen in Göteborg mit schweren Gütern für ein Logistikunternehmen. Der Praxistest des maximal 40 km/h schnellen vollelektrischen Fahrzeugs wird von einem Kontrollturm überwacht und hat den kommerziellen Einsatz über kurze Distanzen zum Ziel. Der futuristische Anblick – „Vera“ ist nicht einmal halb so hoch wie eine gewöhnliche Sattelzugmaschine – verdeutlicht den autonomen Ansatz Volvos mit dem Projekt.

Quelle: Volvo Group Trucks Central Europe GmbH

 

Auch hierzulande wird bereits in selbstfahrenden Konzepten gedacht. Im Rahmen des Forschungsprojekts „aFAS“ wurde beispielsweise ein autonom fahrendes Absicherungsfahrzeug entwickelt, das in Wanderbaustellen zum Einsatz kommen soll. Schließlich kommt es immer wieder zu schweren Auffahrunfällen mit solchen Fahrzeugen. Der autonom fahrende Lkw, der die Baustellenbeschilderung trägt, hält einen permanenten gleichbleibenden Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug. Selbst Auf- und Abfahrten auf Autobahnen sind laut Entwicklerkonsortium kein Problem.

 

Quelle: aFAS-Projektbüro/Hessen Mobil

 

Doch nicht nur bei den Brummis tut sich etwas. Auch sind Personentransporte – und damit vor allem Omnibusse – in den Fokus von Automatisierung gerückt. In Frankfurt am Main wurde vergangenes Jahr auf dem Universitätsgelände der von Continental entwickelte autonome Kleinbus „Cube“ fahrerlos getestet– mit großem Erfolg. Schon im Herbst 2019 sollen zwei der autonom fahrenden Kleinbusse im Pendelverkehr am dann für den Autoverkehr teilweise gesperrten Mainufer verkehren.

 

In Schweden geht man noch einen Schritt weiter – und zwar direkt in den echten Stadtverkehr. Dort wird Scania zusammen mit dem Busunternehmen Nobina im Jahr 2020 einen Testlauf mit autonomen Bussen starten. Der „Scania Citywide LF electric“ mit 12 Metern Länge und einer Kapazität von bis zu 80 Passagieren dreht dann – zunächst von Experten begleitet – seine Runden durch ein Wohngebiet, 20 km von Stockholm entfernt.

 

Fahrerlose Lkw und Busse werden noch vor autonomen Pkw zur Normalität.

 

Wann sowohl die technischen als auch die gesetzlichen Grundlagen für vollautomatisiertes bzw. autonomes Fahren geschaffen sein werden, lässt sich noch nicht absehen. Zumal die Erwartungshaltungen der Akteure auch recht unterschiedlich sind. „Während Politik und Regulierungsbehörden vor allem das begleitete Fahren propagieren, bei dem der Mensch sich in allen schwierigen Situationen einschalten kann, denken größere Speditionen aufgrund von Kosten und akutem Personalmangel schon heute über den völligen Verzicht auf menschliche Fahrer und Begleiter nach“, sagt Zukunftsforscher Dr. Bernhard Albert von Foresight Solutions. Grundsätzlich haben zwar alle großen Fahrzeughersteller und Zulieferer erkannt, dass an dieser Technik kein Weg vorbeiführt. Allein sie wird sich nicht mit einem Schlag auf alle Verkehrsmittel adaptieren lassen. „Während sich der Einzelne noch einige Zeit dagegen sträuben wird, mit dem Lenkrad auch die Kontrolle über sein Fahrzeug zu verlieren, wird uns der autonome Lkw insbesondere auf längeren und unkomplizierten Strecken schon früher begegnen,“ prophezeit Albert und schließt fahrerlose Busse gleich mit ein. „Die werden uns schon bald ebenso normal erscheinen, wie schon heute die fahrerlosen U-Bahnen.“ Aber die laufen ja auch auf Schienen.

 

In Teil 3 dieser Serie berichten wir über die Möglichkeiten, die sich aus der digitalen Konnektivität und Vernetzung für die Logistikbranche von morgen ergeben.